In diesem Blogartikel möchte ich mit euch teilen, warum ich der Meinung bin, dass Tesla gegenüber allen Automobilherstellern aktuell den Wettkampf um das automatisierte Fahren gewinnt. Bei den Technologieunternehmen ist Tesla nur auf Platz zwei da Google noch deutlich mehr Kompetenz für Artificial Intelligence (AI) besitzt und mit Waymo zeigt wie es gehen kann.
Was bedeutet eigentlich autonomes Fahren?
Das autonome oder auch hoch automatisierte Fahren genannt wird in unterschiedlichen Leveln angegeben. Diese Level wurden von der SAE International definiert. Die SAE International ist eine gemeinnützige Organisation, die sich dem Fortschritt der Mobilitätstechnologien widmet. Weltweit hat dieser Verband der Automobilingenieure mehr als 120.000 Mitglieder. Somit wurde eine Standarddefinition der einzelnen Level geschaffen.
Level 0 – Keine automatischen Fahrfunktionen
Bei einigen Grafiken im Internet wird dieses Level gerne vergessen. Level 0 beinhaltet keine Unterstützung des Fahrers durch ein Assistenzsystem. Der Fahrer muss zu jederzeit die Kontrolle haben und seine Hände am Lenkrad und das aktuelle Verkehrsgeschehen aufmerksam verfolgen.
Level 1 – Assistenzsysteme
Im Level 1 des automatisierten Fahrens kann der Fahrer auf einfache Assistenzsysteme zurückgreifen. Ein Beispiel hierfür wäre der Tempomat, bei dem eine Geschwindigkeit definiert wird, die das Auto hält. Der Fahrer muss aber auch hier die Hände am Lenkrad haben und die Augen auf der Straße. Nur den Fuß kann er temporär von den Pedalen nehmen sollte aber immer bereit sein zu bremsen.
Level 2 – ADAS
Bei Level 2 gibt es schon mehr automatische Fahrfunktionen, auf die der Fahrer zurückgreifen kann. Diese werden auch als Advanced Driver Assistance Systems (ADAS) bezeichnet. ADAS steht hier als Sammelbegriff für eine Vielzahl von automatischen Fahrfunktionen.
- Automatische Notfallbremssystem (AEB)
- Verkehrszeichenerkennung
- Toter Winkel Assistent
- Spurhalteassistenz
- Automatische Distanzregelung (ACC)
Der Fahrer wird so zum Beispiel bei längeren Autobahnfahrten mit diesen automatischen Fahrfunktionen unterstützt. Dieser ist also in der Lage, temporär die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Er muss aber jederzeit bereit sein, die Kontrolle wieder zu übernehmen.
Level 3 – hochautomatisiertes Fahren z.B. auf Autobahnen
Beim Level 3 des automatisierten Fahrens kann der Fahrer die Hände vom Lenkrad nehmen und auch die Augen. Der Fahrer ist nicht mehr in der vollen Verantwortung, sondern agiert nur noch als Backup für das automatisierte System und bekommt im Notfall einen Take Over Anfrage. Dieser muss dann in einer gewissen Anzahl von Sekunden die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen, wenn zum Beispiel die Sensoren aufgrund der Witterungsbedingungen nicht ordnungsgemäß arbeiten. (Schnee vor den Sensoren/Kameras). Die Zuständigkeit des Fahrers ist die Verkehrssituation jederzeit im Blick zu haben.
Diese Funktionalitäten sind in diesem Level nur für die Fahrten auf Autobahnen geeignet.
Level 4 – voll automatisiertes Fahren
Bei Level 4 wird es langsam spannend. Hierbei fällt die Take Over Anfrage an den Fahrer komplett weg. Das heißt das automatische Fahrsystem ist so sicher, dass es alle Situationen handhaben kann. Der Fahrer muss nicht die Verkehrssituation beobachten und kann zum Beispiel ein Buch lesen. Level 4 funktioniert auch in allen anderen Bereichen außerhalb der Autobahn.
Level 5 – autonomes Fahren
Level 5 ist quasi das Ende der Fahnenstange. Hierbei wird es in Fahrzeugen einen “Fahrer” nicht mehr geben, sodass auch Lenkrad oder Pedale komplett wegfallen. Hierbei handelt es sich um Fahrzeuge (z.B. Robotaxis) die man aus dem einen oder anderen Science-Fiction-Film kennt.
Bei welchem Level stehen wir aktuell beim autonomen Fahren?
Das ist die Masterfrage die unter diversen LinkedIn Posts schon zu großen Diskussionen geführt hat. Leider werden sehr oft durch Marketing Abteilungen die Message rausgehauen wir wären schon bei Level 4. Deswegen war es mir wichtig hier nochmal auf einfache Art und Weise die einzelnen Level darzustellen damit möglichst alle das gleiche Verständnis haben.
Meiner Meinung nach stehen wir aktuell bei Level 2+ also zwischen Level 2 und 3. Hierbei besteht gerade die Herausforderung die rechtlichen Grundlagen zu schaffen. Auch Tesla hat mit seinem Autopilot nur ein Level 2 System geschaffen. Es ist noch nicht geklärt, wer haftet, wenn das automatische System einen Unfall baut. Zusätzlich gibt es natürlich auch ethische Diskussionen. Das Level 2 zu erreichen war bisher für Automobilhersteller einfacherer. Level 3 ist ein technologischer Quantensprung, sodass es sicher noch ein paar Jahre dauern wird, bis wir Level 3 erreichen werden.
Warum Tesla auf RADAR Sensoren zukünftig verzichtet?
Tesla wird in allen zukünftigen Modellen den RADAR Sensor komplett aus den Modellen verbannen. Jetzt fragt ihr euch sicher wie soll das Auto jetzt seine Umgebung wahrnehmen. Die Antwort ist einfach durch die 8 Kameras, die im Auto integriert sind. Während Firmen wie Waymo (Google Tochter) versuchen die Umgebung virtuell mit LIDAR, RADAR und HD Maps abzubilden verlässt sich Tesla auf das Kamerasystem. In Kombination mit dem neuronalen Netz im Hintergrund ein sehr guter Ansatz wie ich finde. Das macht sehr viel Sinn da wir ja als Menschen auch mit den Augen Auto fahren und Dinge erkennen. So kann die FSD Beta auch auf Straßen fahren, in denen vorher noch kein Tesla Fahrzeug war.
So können sich alle Tesla Ingenieure auf die Weiterentwicklung des Kamerasystems konzentrieren und die Interoperabilität fällt weg, da nicht mehr RADAR und LIDAR Sensoren mit dem Kamerasystem abgeglichen werden müssen. Das führt natürlich auch zu einer Kostenreduktion. Die einzige Frage, die sich mir hier stellt was passiert, wenn es nebelig ist? Aber das ist auch wieder einer dieser Edge Cases.
In diesem Video zeigt Andrej Karpathy sehr gut den Unterschied zwischen dem Kamerasystem und den RADAR Sensoren.
Was ist der Tesla Shadow Mode?
Der Tesla Shadow Mode ist auf allen ausgelieferten Tesla Modellen implementiert. Dies ermöglicht es Tesla, möglichst viele Fahrdaten aus der realen Welt zu sammeln, um damit sein Full Self Driving Software verbessern. Der Shadow Mode funktioniert so, dass der Computer im Hintergrund immer Vorhersagen trifft, was er in der jeweiligen Fahrsituation tun würde. Dieses Ergebnis gleicht er dann mit der Entscheidung, die der Fahrer trifft ab und schaut, inwieweit die Vorhersage mit der des Fahrers übereinstimmt.
Beispiel: Der Fahrer befindet sich auf der mittleren Spur einer Autobahn. Die rechte Spur ist frei und der Shadow Mode sagt vorher, dass der Fahrer gleich auf die ganz rechte Spur wechselt. Dies macht er aber nicht da sich hinter ihm ein anderes Auto auf der rechten Spur mit höherer Geschwindigkeit nähert und wahrscheinlich rechts überholen möchte. (Was ja in Deutschland nicht erlaubt ist in den USA aber schon.)
Alle Entscheidungen des Shadow Modes, welche unterschiedlich zu dem des Fahrers sind und in dem die 221 Bedingungen zutreffen werden zwecks Auswertung an das zentrale neuronale Netz von Tesla gesendet.
In diesem Video wird das sehr gut erklärt.
Wie trainiert Tesla sein neuronales Netz?
Tesla lässt auf allen Fahrzeugen den Shadow Mode laufen. Die Videoclips welche unterschiedliche Vorhersagen gegenüber dem Fahrer treffen und die 221 Bedingungen erfüllt haben, werden an das neuronale Netz zu Analyse weitergeleitet. Die Supercomputer des neuronalen Netzes analysieren die Clips und lernen daraus. Daraus entstehen Edge Cases also Verkehrssituationen, die nicht alltäglich sind. Hauptsächlich ist der Supercomputer aber damit beschäftigt, Objekte in den Videos zu identifizieren und zu benennen (sog. Data Labeling).
Diese Learnings werden dann ins nächste FSD Update integriert und an die Flotte via Over-the-Air-Update verteilt. Das führt zu einem iterativen Prozess um das System permanent weiterentwickelt.
Wer sich die Supercomputer anschaut, wird feststellen, dass es durchaus schnellere Supercomputer gibt. Da aber Tesla vom Chip bis zur Software alles selbst entwickelt hat, werden die Hardware Ressourcen optimal ausgenutzt und sind perfekt aufeinander abgestimmt. So kann mit kleineren Systemen das maximale rausgeholt werden und der Energieverbrauch minimiert werden. Hier kann ich euch auch dieses Video empfehlen.
Was ist der Unterschied zwischen FSD Beta und Autopilot?
FSD steht für Full Self Driving also komplettes automatisiertes Fahren. Hierbei gibt es im Fahrzeug keinen Fahrer mehr und der Telsa fährt komplett autonom. Aktuell ist die FSD natürlich noch in der Beta-Phase und aktuell nur auf ca. 2000 Fahrzeugen in den USA implementiert.
Der Autopilot steht bei Tesla für die verbauten Assistenzsysteme (z.B. ACC, ALKS). In der Vergangenheit wurde Tesla schon öfters kritisiert bei der Benennung dieser Funktion, da dem Kunden durch den Namen ein automatisches Fahren vermittelt wird. Das ist aber definitiv nicht der Fall und ich würde die Tesla Autopilot Funktion eher auf Level 2+ einstufen. Ich finde, hier sollte auf jeden Fall eine Umbenennung der Autopilot Funktionen vorgenommen werden.
Was deutschen Automobilherstellern beim autonomen Fahren meiner Meinung nach fehlt?
Grundsätzlich glaube ich natürlich, dass die deutschen Automobilhersteller alle am automatisierten Fahrfunktionen arbeiten. Was zum aktuellen Zeitpunkt der Volkswagen Konzern für eine Transformation zur kompletten Elektromobilität durchlebt ist grandios und auch ein Stein den Tesla in gewisser Weise ins Rollen gebracht hat.
Aber meiner Meinung nach fehlen den deutschen Automobilhersteller die Daten. Und zwar Fahrdaten aus der realen Welt. Diese können Sie aktuelle nicht in dem Maße sammeln wie es Tesla tut, weil meiner Meinung dafür keine digitale Infrastruktur geschaffen ist. Mir ist jedenfalls kein Fall von einem deutschen OEM bekannt, indem ich ähnlich Ansätze mit Supercomputern, Clustern und neuronalen Netze wie bei Tesla gesehen habe.
Und ohne Daten wird es schwierig eine Software zu entwickeln, die in allen Situationen die richtige Entscheidung trifft. Da bringt es auch nichts, wenn man ein paar Millionen Testkilometer Autobahn fährt. Hier kommt es nicht auf die Menge an, sondern auf die Diversität der gesammelten Fahrdaten.
Die deutsche Automobilindustrie hat ihre jahrelange Tradition und tut sich mit der Digitalisierung der Fahrzeuge echt schwer. Es muss ein Umdenken stattfinden weg von dem mechanischen/analogen hin zu einem digitalen Mindset, indem die Digitalisierung und die Daten im Mittelpunkt stehen. Es muss eine Verschmelzung von Hard- und Software stattfinden und die Anzahl der Zulieferer maximal reduziert werden, da nur so schnelle Anpassung an der Software vorgenommen werden kann. Das vermindert die Komplexität, was zu schnelleren Software Deployment Zyklen führt und somit früher neue Funktionen veröffentlicht werden können.
Das Fahrzeug muss viel mehr zu einem iPhone auf Rädern werden, was sich permanent weiterentwickelt und intuitive User Interfaces bereitstellt, die man ohne große Probleme sofort versteht. Nur so kann man langfristig den Kunden überzeugen.
Fazit
Tesla zeigt durch sein First principle thinking wie die Zukunft des autonomen Fahrens aussehen kann. Welcher deutscher Automobilhersteller da zukünftig mitmischen kann bleibt abzuwarten. Ich hoffe natürlich darauf, dass wir ähnliche Ansätze auch zukünftig von deutschen OEMs sehen werden. Aktuell bin ich da aber eher skeptisch. Volkwagen war einer der ersten die ähnliche Events wie den Battery – oder Autonomy Day veranstaltet haben.
Desweiteren muss die Politik mehr auf deutschen Straßen zulassen damit auch hierzulande Daten in realen Situationen gesammelt und analysiert werden können. Nur weil Tesla Fahrzeuge in Kalifornien mit der FSD Beta fahren können, heißt das nicht das es in dem Rest der Welt funktioniert. Ich bin gespannt, welche Details Tesla bei seinem Tesla AI Day veröffentlichen wird. Aktuell ist aber noch kein konkreter Termin für den Tesla AI Day bekannt.
Wie steht ihr zu diesem Thema? Schreibt mir doch gerne eine E-Mail oder PN.