In der heutigen Zeit hat man dank Google und Apple eine gewisse Affinität entwickelt wie sich Software in Form von Apps einfach und intuitiv bedienen lässt. Steigt man dann hingegen in eines deutschen Premiumherstellers, wird man softwareseitig in die Steinzeit zurückversetzt. Touchscreens die nur langsam reagieren, Navigationssysteme in dem die Eingabe einer Adresse zur minutenlangen Geduldsprobe wird oder Armaturenbretter bei der jede Funktion einen Knopf hat gehören bei dem deutschen Automobilhersteller leider oft noch zum Standard. In diesem Artikel möchte meine Meinung als Informatiker teilen.
Wenn ich mir heute ein Auto kaufen würde, hätte ich eigentlich nur zwei Kriterien die meine Kaufentscheidung beeinflussen. Zum einen sollte es natürlich ein Elektroauto mit vernünftiger Reichweite sein. Zum anderen sollte es Apples Car Play integriert haben, sodass ich ins Auto einsteige und sofort alle meine Kontakte, Adressen und Podcasts im Auto abrufen kann. Und da haben Apple aber auch Google mit Android Auto was geschaffen was deutsche Automobilhersteller jahrelang verschlafen haben: Nutzerzentrierte Software die sich einfach bedienen lässt und keine extra Konfiguration im Auto benötigt.
Die Navigationshölle in einem deutschen Premiumfahrzeug
Ein Grund warum ich diesen Artikel schreibe ist eine Erfahrung, die ich kürzlich mit einem zwei Jahre alten Fahrzeug einer deutschen Premiummarke gemacht habe. Dieser war ein Hybridmodell, sodass hier auch schon “elektrische” Komponenten vorhanden waren. Da wir an einen Ort fahren wollte, wo ich die Route nicht kannte, wollte ich als Erstes im Navi die Zieladresse “eintippen”. Zielpunkt war ein Restaurant wo wir essen gehen wollten also auch ein POI (Point of Interest) den man finden könnte. Erster Reflex beim Blick auf das große Display war die Eingabe über Touch….Fehlanzeige…Display hat kein Touch.
Ok, also muss es über die Tasteneingabe gehen. Mit der Drehregel also durch das Menü gesurft um die Adresse Buchstabe für Buchstabe einzugeben. Leider war die Autovervollständigung so schlecht, dass selbst beim vorletzten Buchstaben immer noch nicht die richtige Adresse drin stand. (Bei vollem LTE Signal) Als zweite Idee hatte ich einfach den Namen des Restaurants einzugeben. Auch hier leider Fehlanzeige. Dann am Smartphone nochmal gecheckt, ob ich die richtige Adresse hatte. Das stimmte aber auch alles. Dann realisiert das dieses Auto auch Apple Car Play hatte. iPhone via Kabel ans Auto angeschlossen innerhalb von 2 Sekunden die Route gestartet und los gehts. So einfach kann es sein, wenn man gute Software hat.
Bis zum Anschluss des Smartphones war ich schon ordentlich frustriert, dass es so kompliziert ist eine einfache Adresse oder Namen in ein Auto Navigationssystem einzutippen, welches mehrere Tausend Euro Aufpreis kostet, um dann ein 900€ teures Smartphone anzuschließen, was die Aufgabe innerhalb weniger Sekunden löst.
Eingangs erwähnte ich die elektrischen Komponenten des Autos. In diversen sozialen Netzwerken wird von Fahrern deutscher Premiumhersteller berichtet, dass die Navigationssysteme in den Autos die Fahrer vorbei an den Schnellladern nur zu den langsamen Ladestationen lotsen und man dann mit 11 kWh lädt anstatt am 500m entfernten Schnelllader mit 250 kWh. Hier merkt man das die Software noch nicht dafür ausgelegt ist in einem Elektroauto zum Einsatz zu kommen.
Warum Touchscreens in jedem Auto integriert sein sollten?
Ich bin der Meinung das in jedes gute Auto ein Touchscreen reingehört. Das Bedienkonzept von Tesla überzeugt mich hier besonders. Ein Touchscreen in der Mitte wo ich “fast” alles mit steuern kann. Die einzigen Buttons, die es bei einem Tesla gibt, sind die, um die Fahrstufe einzulegen.
Buttons haben zwar ein haptisches Feedback lassen sich jedoch nur schwer anpassen in Form, Farbe, Größe und vor allem Verhalten. Bei einem Touchscreen kann ich jederzeit Verbesserungen am User Interface vornehmen und aufgrund von Nutzerfeedback weiter optimieren.
Was gehört für mich zu einem guten User Interface im Auto?
Ich versuche hier mal zu beschreiben welche Anforderungen ich an ein User Interface in einem Auto habe. Die Benutzeroberfläche sollte so gestaltet sein, dass wenn ich mich das erste Mal in das Auto reinsetze sofort verstehe, was sich wo befindet. Die wichtigsten Funktionen sollten sich nicht in Untermenüs verstecken, sondern präsent mit einer 1 Klick Strategie aufrufbar sein. Das ganze System sollte natürlich Touchbasiert sein und so positioniert, dass ich auch kurze Änderungen während der Fahrt vornehmen kann ohne mich groß auf die Bedienoberfläche konzentrieren zu müssen. Hier sollten Touchscreen Swip Bewegungen integriert sein da diese Steuerung bei vielen schon durch die Smartphonenutzung im Kopf ist.Welche Rolle spielt das Smartphone in Kombination mit dem Auto?
Auch hier möchte ich den Vergleich zum Tesla machen. Während bei den deutschen Automobilherstellern, die Smartphone App lediglich als Add-On Modell für die digitalen technikaffinen Kunden bereitgestellt wird, kann man beim Tesla ohne das Smartphone fast nichts machen. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass man vor Antritt einer Fahrt mindestens einmal auf dem Smartphone die Route checkt. Warum also nicht schon direkt dem Auto sagen, wo man hin möchte. So kann ich beim Einsteigen direkt losfahren.
Infotainment im Auto – Der In-Car Entertainment Markt
Sollten die heutigen Elektrofahrzeuge immer mehr autonom fahren, wird der Fahrer im Auto immer irrelevanter. Wo wir beim autonomen Fahren stehen habe ich in diesem Artikel näher erläutert.
Das führt dazu, dass der Fahrer wieder Zeit für andere Dinge. Das sog. In-CAR Entertainment wird ein großer Markt werden. Bei Tesla sind zum Beispiel schon Spiele integriert, die sich während eines Ladestopps spielen lassen, und zwar mit dem echten Lenkrad und Gaspedal als Spielekontroller Ersatz. Aber auch während der Fahrt können die Mitfahrer Filme auf Netflix schauen oder aus Spotify Musik hören.
Was ist die Gefahr für deutsche Automobilhersteller, wenn sie die Software nicht in den Griff bekommen?
Die große Gefahr die hier für deutsche Automobilhersteller lauert, ist das diese nur noch zum Hardware Lieferanten werden. Diese stellen nur noch das physische Auto her und die großen Tech Konzerne haben die Hoheit über die Software und dann natürlich auch über die Daten. Das wäre für deutsche Automobilhersteller der Super-GAU. Teilweise ist dies durch Android Auto und Apple CarPlay passiert. So wissen Google und Apple immer wo ich hinfahre, was ich während der Fahrt gerne für Podcasts oder Musik höre und mein Bewegungsprofil. Diese wertvollen Daten ermöglichen es mir, personalisierte Fahrprofile meiner Nutzer bzw. Kunden zu erstellen, die ich dann für die Verbesserung meines Produkts nutzen kann. Im Endeffekt führt das dazu, dass deutsche Automobilhersteller den Kontakt zu ihren Kunden verlieren.
Hier mal ein sehr gutes Beispiel zum Thema Software in einem VW ID.3
Gute Arbeit, VW. Software ist einfach überbewertet. So lange das Spaltmaß stimmt ist alles andere egal. Dieses „UI“ sollen mal diese Leute im Ausland machen, die sowas hervorragendes wie German Engineering nicht hinbekommen. pic.twitter.com/wxhCsV9F7V
— Max von Webel (@343max) July 25, 2021
Was macht Tesla anders in puncto Software?
Die Software wird neben der Elektrifizierung des Autos einer der wichtigsten Bausteine sein um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Dank der vertikalen Fertigungsintegration entwickelt Tesla alle Komponenten im eignen Haus und greift nur auf sehr wenige Zulieferer zurück. Selbst die Chips, die auf den beiden Computern im Fahrzeug verbaut, sind kommen aus eigenen Entwicklung. Das heißt, die Software kann perfekt auf die Hardware abgestimmt werden. So kann aus weniger Hardwareressourcen mehr rausgeholt werden, da die Interoperabilität hier wegfällt. Wen dieses Thema näher interessiert dem empfehle ich sich den Autonomy Day von Tesla aus dem Jahre 2019 anzuschauen.
Doch was macht Tesla bei der Entwicklung der Software anders. Es stellt den Nutzer und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt und versucht sich in die Situation des Nutzers zu denken. Gefühlt jeden zweiten Tag gibt es ein Update des Betriebssystems welches mittels OTA (Over the Air Update) über WLAN auf das Auto gespielt wird. Das geschieht natürlich nie während der Fahrt, sondern meistens nachts, wenn das Auto steht. Der Nutzer erhält dann ein Hinweis in seiner Tesla App, das die Software des Tesla Fahrzeugs aktualisiert wurde. Diese Updates können unterschiedlichste Dinge enthalten. Zum einen natürlich Bugfixes das heißt Fehlerbehebungen zum anderen Funktionsupdates wie neue Funktionalitäten wie dies an Ostern 2019 geschah, um nur ein Beispiel zu nennen. Sowas habe ich noch bei keinem deutschen Automobilhersteller gesehen.
Zusätzlich nutzt Tesla ein Teil seiner Kunden als Beta-Tester (aktuell 2000) die zum Beispiel komplette neue Software wie die Full Self Driving Beta (FSD) testen dürfen. Des Weiteren sind die Tesla Autos so gut mit dem neuronalen Netz von Tesla vernetzt, dass die Fahrzeuge jederzeit Nutzungsdaten an Tesla senden die ausgewertet werden. Details dazu finde ihr in diesem Blogartikel.
Vergleich: Tesla Kunde vs. Kunde eines deutschen Automobilherstellers
Ich bin der Meinung, wenn man sich einen typischen Tesla Kunden anschaut, ist dieser Technikaffine und möchte aus der Masse hervorstechen. Er ist bereit neue Dinge auszuprobieren und als einer der ersten neue Dinge zu testen. Dafür nimmt er es aber auch in Kauf das sich die Software nicht immer auf einem perfekten Funktionslevel befindet und auch mal was Fehler ausweist. Das Smartphone ist für ihn die Schaltzentrale wo alles automatisiert, gesteuert und überwacht wird. Nach dem klassischen Innovationszyklus von Rogers (1992) gehört ein Tesla Kunde zu den Early Adopters der als Meinungsführer sein Umfeld positiv beeinflusst.
Der klassische Kunde von deutschen Premiumherstellern hat die Erwartung das immer alles perfekt und schnell funktioniert. Die digitale Affinität ist vielleicht nicht ganz so hoch und er ist zwar bereit neue Funktionen auszuprobieren aber sucht nicht aktiv danach. Er nimmt die neue Technik aber erst an, wenn er aus vertrauten Quellen positives Feedback und Erfahrungen mitgeteilt bekommt.
Was bedeutet das Apple Auto für Tesla?
Es gibt ja bereits seit einem Jahr Gerüchte, dass Apple auch an einem eigenen Elektroauto arbeitet. Offiziell wurde bisher noch nix bestätigt. Im Vergleich zu einem Verbrenner ist es deutlich einfacherer ein Elektroauto zu bauen, da Dinge wie Getriebe etc. wegfallen. Die Schwierigkeit hier liegt eher im Batterie Pack. Das Apple Auto wird Apple sicher, ähnlich wie mit dem iPhone, zusammen mit einem Zulieferer bauen. Würde Apple ein Elektroauto auf den Markt bringen wäre, das der zweite Technologiekonzern der ein Auto auf den Markt bringt. Fraglich ist, ob ein Tesla Kunde, der auch Apple Fan ist, bereit wäre auf ein Apple Auto zu wechseln.
Der klassische Kunde von deutschen Premiumherstellern hat die Erwartung das immer alles perfekt und schnell funktioniert. Die digitale Affinität ist vielleicht nicht ganz so hoch und er ist zwar bereit neue Funktionen auszuprobieren aber sucht nicht aktiv danach. Er nimmt die neue Technik aber erst an, wenn er aus vertrauten Quellen positives Feedback und Erfahrungen mitgeteilt bekommt.
Fazit
Wie Marc Andreessen 2011 in diesem Artikel sehr gut beschrieben hat, warum Software die Welt auffressen wird es auch in der deutschen Automobilindustrie wichtig sein sich mehr auf die Software zu konzentrieren. Hier zeigt der Volkswagen Konzern ja schon eine gute Initiative mit seiner konzernweiten CARIAD Ausgründung, um einheitliche Software für alle Marken zu entwickeln. Grundsätzlich finde ich es gut das hier auf die Entwicklung einer eigenen Softwareplattform gesetzt wird. Ich sehe es jedoch kritisch dem klassischen VW und Seat Kunden die gleiche Software ins Auto zu bauen wie dem Audi und Porsche Kunden, weil beide Kundengruppen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Die Frage ist Herbert Diess es schafft den Konzern in ein Technologieunternehmen zu verwandeln und das digitale Mindset zu prägen.
Die vollumfängliche Sammlung von Daten sollte die Hauptaufgabe eines jeden Automobilherstellers werden, um sowohl intern als auch extern jederzeit die volle Transparenz zu besitzen, wo man steht. In der Produktion, beim Lieferanten und natürlich beim Kunden. Das kann natürlich nur mit guter eigener Software geschehen die agil in kleinen interdisziplinären Teams weiterentwickelt wird.
Hierzu möchte ich euch ein Video aus der Tesla Gigafabrik in Shanghai zeigen, wo genau dokumentiert wird, mit welchen Akkuschrauber welche Schraube in welches Auto geschraubt wird und der Akkuschrauber diese Informationen in Echtzeit ins System spielt. Wobei ich denke die deutschen Automobilhersteller dies ebenfalls mit der ISO9001 machen ich mir jedoch nicht sicher bin, ob diese Daten auch wirklich digital erfasst sind.
Abschließend möchte ich noch Sascha Lobo zitieren, der es bei seiner Keynote auf der Republika 2021 passend gesagt hat. Man sollte nicht mehr begründen, warum man was digitalisieren möchte, sondern warum man das analog macht.