Fahrradinfrastruktur Desaster in deutschen Großstädten am Beispiel Köln

von | Aug 8, 2021 | 🚘 Mobilität

In diesem Blogartikel möchte ich meine Erfahrung und Meinung teilen, warum Fahrradfahrer und Fußgänger leider in einer Großstadt wie Köln immer noch zu kurz kommen und was geschehen müsste damit sich die Situation verbessert.

Warum kommen Fußgänger und Fahrradfahrer immer zu kurz in Städten?

Deutschland ist ein Autoland. Wir sind Stolz auf unsere Autos Made in Germany. Jeder sollte mit seinem privaten PKW jederzeit überall schnell ans Ziel kommen auch in den Städten. Dort herrscht natürlich oft das komplette Chaos verstopfte Fahrspuren, Parkplatznot Stress und Hektik. Fußgänger oder Fahrradfahrer stellen in Großstädten wie Köln viele Autofahrer auf eine Geduldsprobe, wenn diese wieder einmal zu langsam nebeneinander durch die 30 Zone radeln und die Autospur blockieren. Dann wird mit dem SUV so lange gedrängelt und vielleicht auch gehupt bis entweder die Fahrradfahrer freiwillig anhalten, um Platz zu machen oder der SUV Fahrer in einem waghalsigen Überholmanöver viel zu nah an den Fahrradfahrern vorbeifährt.

Meiner Meinung nach ist das ein grundsätzliches Problem, welches schon bei den Stadtplanern beginnt. Diese entwerfen innerstädtische Straßen und Fahrspuren oft so das der Autofahrer meist bevorzugt wird. Das heißt, er bekommt in der Stadt den meisten Raum, um mit seinem Auto möglichst bequem ans Ziel zu kommen und dann auch noch im Zentrum zentral parken zu können. Der Fahrradfahrer ist wahrscheinlich in Augen der Stadtplaner eher nur eine lästige Randerscheinung der den Verkehrsfluss nur unnötig blockiert. Die Stadtplaner sind halt einfach Autofahrer und keine Radfahrer. Ich würde es echt mal begrüßen, wenn diese die gleiche Strecke in einer Großstadt wie Köln mit dem Fahrrad zurücklegen müssten. Dann würde diesen nämlich sehr schnell auffallen was für ein Flickenteppich das Fahrradverkehrsnetz in Köln ist.

Auch bei Baustellen wird zwar der Autoverkehr umgeleitet Fußgänger und Fahrradfahrer aber oft vergessen bzw. der Bürgersteig einfach dicht gemacht.

Schaut man sich Ampelphasen an so wird ganz schnell klar, wer hier Priorität hat. Die meisten Fußgängerampeln in Köln sind sog. Bettelampel das heißt man muss aktiv drücken damit die Ampel grün wird. Ist diese dann einmal grün muss man sich, als Fußgänger oft sputen, um in der Grünphase auf die andere Straßenseite zu kommen, man soll ja die Autofahrer nicht zu lange vor der roten Ampel warten lassen.

Status Quo im Jahre 2021 mit eigenem Praxisbeispiel

Ich bin selbst fast täglich mit dem Fahrrad in Köln unterwegs und in der Regel kommt man in 30min überall mit dem Fahrrad hin. Bei mir fällt innerstädtisch die Wahl des Verkehrsmittels immer auf das Fahrrad.
Deswegen möchte ich an dieser Stelle mal aus meinen eigenen Erfahrungen berichten. Die wohl schlimmste Ampel für Fahrradfahrer in ganz Köln steht meiner Meinung nach an der Kreuzung Luxemburgerstraße / Militärring. Dort hat man als Fahrradfahrer eine durchschnittliche Wartezeit von bis zu 3 Minuten bis diese dann endlich mal für 30sec Grün wird. Besonders schlimm ist es, wenn zeitgleich auch noch die Schranken heruntergehen. Dann bleibt gefühlt der ganze Kreuzung stehen.

Kreuzung Militärring-Luxemburgerstraße
Fährt man mit dem Fahrrad parallel zum Militärringstraße, so erlebt man einen wilden Mix an Wegqualität. Auf der einen Seite hat man einen breiten ausgebauten Fahrradweg wo ganze Schulklassen problemlos in beide Richtungen fahren können. Auf der anderen Seite hat man einen kaputten Fahrradweg den Fahrradhersteller ohne Probleme als Rüttelteststrecke nutzen könnten. Was ich hierbei nicht verstehe: Der gesamte Fahrradweg führt durchs grün, sodass es hier sehr einfach und ohne Sperrung möglich wäre, einmal den kompletten Weg  zu modernisieren.
gut ausgebauter Fahrradweg in Köln

Auf der gleichen Route befindet sich auch eine Unterführung der Eisenbahnschienen (Kreuzung Eifeltor). Hier sieht man sehr gut was ich vorhin meinte mit den autozentrierten Stadtplanern. Hier wird der Fahrradverkehr aus der einen Richtung auf die andere Straßenseite gelotste wo übrigens ein sehr breiter Weg vorhanden ist. Diese Seite ist aber sehr unattraktiv da man, um dort hinzugelangen, über eine Ampel muss, anstatt einfach geradeaus weiterzufahren. Neben dem Fahrradweg auf der linken Seite ist ein Schotterstreifen, den man einfach nutzen könnte, um den Fahrradweg für beide Fahrtrichtungen nutzbar zu machen.

Kreuzung am Eifeltor

Wie die Pandemie die Transformation aufs Fahrrad beschleunigt hat?

Gerade in Köln ist durch die Pandemie viel passiert. Die Kölner Ringe habe fast einen durchgehenden Fahrradstreifen bekommen, sodass man dort halbwegs gut durchkommt. An anderen Stellen wurden Fahrradstraßen eingerichtet. Das heißt, normale Straßen wurden zu Fahrradstraßen umfunktioniert. Hier darf man als Fahrradfahrer nebeneinander auf der kompletten Verkehrsfläche fahren. Die maximale Höchstgeschwindigkeit liegt bei 30km/h für Fahrzeuge. PKWs müssen hier Rücksicht auf die Fahrradfahrer nehmen.
Das mag sich in der Theorie ganz toll anhören in der Praxis weiß 90% der Autofahrer überhaupt nicht, was eine Fahrradstraße ist und verhält sich so wie in jeder normalen 30-Zone. Deswegen sollte man als Fahrradfahrer immer mit Verkehrsbeeinträchtigungen durch PKWs rechnen.

Schaut man auf die Fahrradzähler der Stadt Köln, so konnte man im Jahre 2020 einen deutlich höheres Verkehrsaufkommen auf den Fahrradwegen feststellen. Um aber eine bedarfsgerechte Verkehrsplanung zu ermöglichen braucht es meiner Meinung nach viel mehr Datenpunkte die Daten erfassen gerade auf den Fahrradwegen. Diese Daten sollten zusammen mit ÖPNV Daten über eine offene Schnittstelle (API) allen Interessierten kostenlose zur Verfügung gestellt werden. So kann auf dieser Basis Open-Source-Software entwickelt werden, die der Allgemeinheit wieder zugutekommt. Im besten Fall analysiert die Software das gesamte Stadtgebiet und macht aktive Vorschläge an welchen Stellen der größte Bedarf an vernünftigen Fuß- und Fahrradwegen benötigt wird. Das Ganze lässt sich super mit sog. Heat Maps realisieren. So kann man auch dem letzten Mitarbeiter der Stadtverwaltung einfach darstellen in welchem Gebiet der Bedarf gerade am größten ist.

Wie sieht es in anderen Großstädten außerhalb von Deutschland aus?

Schaut man in die Niederlande oder nach Dänemark kann man über die Deutsche Fahrradverkehsinfrastruktur nur lachen. In Utrecht zum Beispiel wurde am Bahnhof ein hochmodernes Fahrradparkhaus gebaut, bei dem man mit dem Fahrrad unter dem Bahnhof fährt und in sicherer Umgebung sein Fahrrad abstellen kann. Dort haben bis zu 12.500 Fahrräder Platz. Damit zählt dieses Fahrradparkhaus zu einer der größten der Welt. Verkehrsleitsysteme und Nummerierung helfen einem dabei sein Fahrrad jederzeit nach Rückkehr wiederzufinden.
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Blöd ist halt nur wieder, wenn der Deutsche dann mit seinem SUV nicht in diesem Parkhaus parken kann.

Fazit

Die Pandemie hat schon zu einem gewissen Umdenken beigetragen und den ein oder anderen aufs Fahrrad transformiert. In Köln wacht man so langsam auf und man sieht im Kölner Stadtbild vermehrt Verkehrsraum der für Fahrradfahrer reserviert wird. Doch um das Fahrrad fahren in Köln attraktiver zu machen braucht man eine flächendeckende und sichere Fahrradwege Infrastruktur. Und da ist Köln leider noch Lichtjahre von entfernt.

Vielleicht schafft man es ja irgendwann mal eine autofreie Stadt zu realisieren. Dazu habe ich hier ebenfalls meine Ideen und Meinung festgehalten.

Weitere Informationen zu Thema dieses Blogbeitrags gibt es übrigens auch beim ADFC Köln. Zusätzlich kann ich sehr die Facebook Gruppe Critical Mass Köln empfehlen die mit ihren regelmäßigen Sternfahrten in Köln auf die marode Fahrradinfrastruktur aufmerksam macht.

Welche Erfahrungen habt ihr beim Fahrrad fahren in der Großstadt gemacht? Ich freue mich auf eure Meinung und Kommentare.