Autofreie Stadt: Wie könnte die Stadt der Zukunft aussehen und was muss sich ändern?

von | Jul 31, 2021 | 🚘 Mobilität

In diesem Blogbeitrag möchte ich einmal meine Ideen für eine autofreie Stadt aus der verkehrstechnischen Perspektive skizzieren. Es gibt natürlich noch viele weitere Aspekte, wie Umwelt, Nahrung oder Lebensqualität, die aber den Rahmen dieses Artikels sprengen würden.

Wie könnte ein Entwurf einer autofreien Stadt aussehen?

Es gibt bestimmt einige Leute, die gerne meckern und sagen das System sei schlecht. Fragt man diese Leute was, deren Gegenvorschlag ist, bekommt man oft nur ein Schulterzucken.

Deswegen möchte ich euch hier mal meine Idee von einer autofreien Stadt präsentieren. Alle enthusiastischen Autofanatiker werden sagen, dass eine autofreie Stadt nicht möglich ist. Ich sage das es ist ohne Probleme möglich aber es muss an anderer Stelle eine vernünftige Alternative geschaffen werden.
Wenn ich auf mein Auto in der Stadt verzichten soll, brauche ich einen multimodalen Verkehrsansatz. Das heißt konkret ich kann mir aussuchen, ob ich mit dem Leihfahrrad, Leihroller, Stadtbahn oder anderen ÖPNV Angeboten fahre. Nur wenn ich diese Auswahlmöglichkeiten habe, fällt meine erste Wahl nicht mehr aufs Auto.

Der Wechsel fällt nur leichter, wenn die passende Verkehrsinfrastruktur geschaffen wird. Das heißt ein gutes Netz an Fahrrad- und Fußwegen auf denen man sich sicher bewegen kann. Ich finde man sieht den Unterschied, wenn man im Urlaub mit dem Fahrrad in Holland unterwegs ist. Hier sind die Fahrradwege genauso gut ausgebaut wie die Straßen inklusive passender Markierungen.

In einer autofreien Stadt kann es aber auch sog. People Mover geben. Das ist quasi ein Bus der sich autonom mit geringer Geschwindigkeit durch die Stadt bewegt. Erste Pilotprojekte gibt es dazu beispielsweise schon in Monheim oder auch in der Hafencity von Hamburg.

Stadt der Zukunft

Ringförmiges ÖPNV Schienennetz anstatt sternförmig

Auch die ÖPNV-Infrastruktur sollte überdachte werden. Grundsätzlich ist es sinnvoller ein ringförmiges Schienennetz an Straßen und S-Bahnen zu verwenden. So können alle Punkte in der Stadt problemlos erreicht werden. In Köln ist das Stadtbahnschienennetz sternförmig, was zu vielen offenen Enden führt und enorm ineffizient ist. Möchte ich zum Beispiel zur Arbeit fahren so würde ich mit ÖPNV über 50min brauchen, da ich erst ganz hoch zu einem Knotenpunkt fahren muss, um dann auf der anderen Seite die gleiche Strecke wieder zurückzufahren. Als Vergleich mit dem Fahrrad brauche ich auf direktem Wege nur 19min. Die gleiche Zeit würde ich bei einer ringförmigen Schienenstruktur sicher auch schaffen.
Hamburg und Berlin gehen hier meiner Meinung nach mit sehr gutem Beispiel voran. Zusätzlich hat man dort eine sehr kurze Taktung, sodass man als Fahrgast sehr geringe Wartezeiten hat und eine große Anzahl an Personen transportiert werden kann.

Auch das Tarifsystem vom ÖPNV ist viel zu kompliziert. In Städten wie Taipeh nutzt man einfache NFC (Near Field Communication) Technik in Chipkarten um den Ticketpreis für die Fahrt mit ÖPNV zu berechnen. Hier muss man sich keine Gedanken über Tarife machen, sondern steigt in die Bahn ein scannt die Chipkarten und scannt diese ein zweites Mal, wenn man aussteigt. Dann wird automatisch der Preis anhand der Strecke berechnet. Dieses System ermöglicht es, auf Basis der Daten Auslastungsprofile zu erstellen um zu sehe wann, wann welche Route wie ausgelastet ist. Diese Echtzeitdaten lassen sich dann wieder nutzen um, weitere Fahrzeuge zu aktivieren.

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Wie verreist man ohne Auto außerhalb einer autofreien Stadt?

Möchte ich jedoch aus der Stadt raus in eine andere Stadt reisen, würde sich hier anbieten an der Stadtgrenze Mobilitätshubs mit Elektroautos zu schaffen. Diese kann ich dann in einem Carsharing Modell nutzen und diese an meiner Zielstadt wieder auf dem P+R Parkplatz an der Ladesäule abstellen. Zusätzlich bietet sich mit der Bahn auch die Möglichkeit weitere Strecken zu reisen. Bei der Bahn muss sich aber ähnlich wie bei den Stadtbahnen die Schieneninfrastruktur verbessern und die Preise deutlich fallen. Gerade wenn man als Familie oder Gruppe reisen möchte, sollte die Bahn günstiger sein als wenn man mit dem Auto fährt.

Was passiert mit den Parkplätzen?

Wenn man überlegt wie viele Parkplätze und Parkhäuser in einer Stadt wegfallen würden schafft das viel Freiraum für neue Projekte, die die Aufenthaltsqualität in einer Stadt erhöhen. Und an Orten wo ich mich gern aufhalte, steigt auch automatisch der Konsum was den lokalen Einzelhändlern zugutekommt. Einige Parkplätze für Autos lassen sich in Fahrradparkplätze für Lastenfahrräder und eBikes umbauen.

Mit der Initative Tag des guten Lebens wird in Köln jährlich in der Praxis sichtbar gemacht wie eine autofreie Stadt aussehen könnte. Hier wird jedes Jahr an einem Sonntag ein kompletter Stadtteil für Autos gesperrt. Menschen kommen raus auf die Straße Frühstücken zusammen, Kinder spielen auf der Straße und alle Fahren mit dem Fahrrad durch ihr Veedel. Ich kann sehr empfehlen das einmal mitzuerleben. Besonders durch die Reduzierung des Straßenlärms wird die Lebensqualität gesteigert.

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Wie bekommt man das mit dem Lieferverkehr hin?

Auch, wenn man die Autos aus einer Stadt verbannt besteht ja immer noch das Problem, wie man die Waren in die Stadt reinbekommt. Ganz wegdenken kann man den Verkehr nicht. Es gibt hier zwar schon Ansätze wie von dem Aachener Startup Ducktrain aber das ist primär auf den Paletten Lieferverkehr spezialisiert. Grundsätzlich wird es an den Stadtgrenzen immer Depots geben und dann in den Stadtteilen Microdepots wo die Waren dann schnell via eBike verteilt werden kann. In Köln sieht man das schon sehr gut am 10 Minuten Lieferdienst Gorillas, die einem die Lebensmittel innerhalb von 10 Minuten mit dem Fahrrad an die Haustür liefern.

Mir stellt sich dann nur die Frage wie realisiert man den Transport in der Stadt, wenn zum Beispiel gebaut wird. Wie wird der Baukran für eine Baustelle oder der Beton angeliefert. Aber auch hier denke, ich wird es in Zukunft interessante nachhaltige Transportlösungen geben.

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Fazit

Auch wenn meine Ideen vielleicht noch nicht bis ins kleinste Detail durchgespielt sind, so würde ich mir wünschen, wenn es eine Stadt geben würde, die das mal als Pilotprojekt durchsetzen würde, um allen anderen zu zeigen, wie man es machen könnte. Auf der anderen Seite muss aber auch ein Umdenken in der Bevölkerung stattfinden und das Auto nicht immer die erste Wahl beim Transportmittel sein. Es muss eine Transformation stattfinden vom Besitz eines Autos hin zu einer zweckgebundenen Verwendung, wenn man bedenkt das viele Autos 23 Stunden am Tag ungenutzt herumstehen. Hier herrscht aber bei vielen Deutschen noch die altmodische Einstellung ein eigenes Auto als Statussymbol besitzen zu wollen. Aber auch das wird sich sicher in zukünftigen Generationen ändern. Aber auch bei der neusten Generation muss eine Sensibilisierung stattfinden mit den öffentlichen verfügbaren Verkehrsmitteln sorgsam umzugehen. Wenn ich sehe, wie viele demolierte eScooter in Köln stehen muss sich hier auch was an der Einstellung ändern. Je schlechter die Verkehrsinfrastruktur ist, umso unwahrscheinlicher ist ein Umdenken weg vom Auto. In ländlichen Region von Deutschland würde sich die Frage nie stellen, ob man mit dem Bus fährt, wenn dieser nur 2x am Tag kommt. Aber auch hier gibt es bereits Mobilitätsansätze bei denen sich kleine Busse via App bestellen lassen. Aus verkehrstechnischer Sicht ist eine autofreie Stadt eine tolle Vorstellung aber hier muss auch seitens der Politik was passieren, um solche Maßnahmen zu fördern. Ich würde mich freuen irgendwann mal in einer autofreien Stadt wohnen zu dürfen. Wie seht ihr das Thema? Ich freue mich auf eure Meinung und Kommentare.